Hunde & Allergien bei Kindern – Neue Studien zur Hundehaltung

Von Dr. Hans Mosser

Die zahlreichen positiven Auswirkungen von Hunden auf Kinder und Jugendliche, v.a. auf deren soziale Kompetenz, aber auch auf viele andere Aspekte, sind gut dokumentiert. Und auch dass Kinder, die im ersten Lebensjahr zusammen mit einem oder mehreren Hunden in der Familie aufwachsen, später deutlich weniger Allergien haben als Kinder ohne Hunde, ist ebenfalls wissenschaftlich mittlerweile nicht mehr bestritten. Zu diesem Thema sind im Vorjahr zwei Studien publiziert worden, die einen tieferen Einblick in diesen allergieprotektiven Zusammenhang ermöglichen, wie bspw. das Geschlecht des Hundes, seine Größe oder die Hunderasse.

Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen setzen sich schon seit den 1980ern mit den Folgen der Hundehaltung auf Kinder auseinander. Dass Hundehaltung positive Auswirkungen auf die psychische und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hat, ist schon lange bekannt (Bergler 1986 und 1994, Montagner 1988, Mosser 1996). Vor allem die Faktoren soziale Kompetenz, Übernahme von Verantwortung und ein geringeres Aggressionsniveau im Vergleich zu Kindern, die ohne ein Haustier aufgewachsen sind, werden dabei hervorgehoben.
Als medizinische Sensation wurde im Jahr 2002 gewertet, dass eine US-amerikanische Studie herausfand, dass das Zusammenleben mit einem Hund im ersten Lebensjahr eines Kindes dessen Risiko, später eine Allergie gegenüber Pollen, Gräsern und sogar gegen Hausstaubmilben zu entwickeln, reduziert (Ownby 2002). Eine Sensation war dies deswegen, weil man bisher dachte, dass vielmehr das Gegenteil der Fall sei, d.h. dass Hunde eher Allergieauslöser wären.

Die Studie und weitere, die ihre Ergebnisse bestätigten, wiesen jedoch das Gegenteil nach. Hunde hätten vielmehr einen »allergieprotektiven« Effekt, und dieser sei sogar noch wirksamer, wenn das Kind mit zwei oder mehr Hunden aufgewachsen ist. Die US-amerikanische Studie fand heraus, dass in der Kontrollgruppe rund 30% der hundelos aufgewachsenen Kinder gegen Pollen und Gräser allergisch waren, bei »ein-hundlichen« Kindern waren das nur mehr 20,4% und bei denen, die mit zwei Hunden in der Familie aufwuchsen, waren es nur mehr 2,8%. Bei den Hausstaubmilben reduzierte sich der Nachweis von Allergien von 27,3% bei den hundelos aufgewachsenen Kindern auf 25% bei Kindern mit einem und gar nur mehr 5,6% mit zwei Hunden.

Im Vorjahr haben zwei schwedische Studien sich neuerlich mit diesem Thema befasst, wobei vor allem zwei Fragestellungen besonders untersucht wurden. Bei der einen ging es darum, einen Zusammenhang herauszufinden zwischen der Zahl der Hunde, mit denen ein Kind im ersten Lebensjahr aufgewachsen ist, und dem Auftreten einer Allergie bzw. von Asthma in dessen sechstem Lebensjahr (Hesselmar 2018). Die andere Studie untersuchte die Frage, ob dieses spätere Allergierisiko des Kindes abhängig ist von bestimmten Charakteristiken der Hunde, darunter Rasse oder Geschlecht (Fall 2018).

Allergieprotektiver Effekt von Hundehaltung »dosisabhängig«?
Der ersten Fragestellung nahmen sich Wissenschaftler der Universität Göteborg an, die schon 1999 den Zusammenhang zwischen dem Aufwachsen mit Hunden und einer geringeren späteren Allergieneigung beschrieben hatten (Hesselmar 1999). In ihrer aktuellen Studie wurden 249 Kinder im Alter von 7 bis 9 Jahren, die in ihrem ersten Lebensjahr mit einem oder mehreren Hunden aufgewachsen waren, hinsichtlich ihrer Allergieneigung und des Bestehens von Asthma, untersucht (Hesselmar 2018). Dazu kamen verschiedenste Tests zur Anwendung, von Lungenfunktionsprüfungen über Blutuntersuchungen bis hin zu allergischen Haut-Tests. Zusätzlich wurden 1.029 Fragebogen ausgewertet, in denen ebenfalls nach Allergien und Asthma bei Kindern sowie der Zahl der Hunde in der Familie gefragt wurde.

Diese Studie kam einerseits zum gleichen Ergebnis wie alle früheren. Das heißt, Kinder, die im ersten Lebensjahr mit Hunden aufgewachsen sind, wiesen später eine geringere Allergieneigung gegenüber Tieren und diversen Pollen auf als Kinder ohne Hund. Andererseits konnte die konkrete Frage nach dem Bestehen einer »Dosisabhängigkeit« des allergieprotektiven Effekts von Hunden positiv beantwortet werden. Das heißt, mit zunehmender Zahl der Hunde (in der Studie waren das maximal 5 Hunde) sank das spätere Risiko, an Allergien zu erkranken bzw. an Asthma zu leiden.

Die Forscher sprechen hier von einem »Mini-Farm«-Effekt. Dies aus dem Grund, weil Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, eine geringere Allergieneigung aufweisen als Kinder in einer Stadt. Der Effekt sei unter anderem erklärbar durch eine Stimulierung des Immunsystems, weil dieses schon im ersten Lebensjahr einer mikrobiellen Umwelt ausgesetzt gewesen sei.

Unterschiede bei den Hunden
In der zweiten Studie wurden die beschriebenen Zusammenhänge zwischen frühem ständigen Kontakt mit einem Hund und der Häufigkeit, später an Asthma zu erkranken, genauer untersucht (Fall 2018). Und zwar interessierten sich die Wissenschaftler der Karolinska Universität Stockholm besonders für bestimmte Eigenschaften der Hunde. Wird die spätere Reduktion der Allergiehäufigkeit beeinflusst durch die Rasse des Hundes? Haben sogenannte »hypoallergene« Hunde, also Hunderassen, deren Haarkleid ein geringeres Allergenrisiko aufweisen soll, wie bspw. der Pudel, einen günstigeren Effekt? Besteht ein Unterschied, ob es sich um eine Hündin oder um einen Rüden handelt?

Die Studie, die sich die Beantwortung dieser Fragen zum Ziel genommen hat, konnte über verschiedene nationale Register alle Neugeborenen der Jahre 2001 bis 2004 erfassen, die während ihres ersten Lebensjahrs in ihrer Familie zumindest einen offiziell registrierten Hund hatten. So kamen die Wissenschaftler auf die sehr große Untersuchungszahl von 23.585 Kindern, deren Gesundheitsstatus sechs Jahre später in Hinblick auf Asthma und andere allergische Zustände ausgewertet wurde. Und auch in dieser Studie wurde der Zusammenhang zwischen Hund im ersten Lebensjahr und geringerer späterer Allergieneigung nachgewiesen, was also nichts Neues mehr ist. Neu hingegen sind die folgenden Zusammenhänge.

Waren es Hündinnen, mit denen die Kinder im ersten Lebensjahr zusammen waren, dann war die spätere Asthmaneigung geringer als wenn es (unkastrierte) Rüden waren. Dazu später noch mehr. Weitere solche günstigen Assoziationen waren die Anzahl der Hunde sowie eher langhaarige Hunde, während sich bei der Größe der Hunde keine Unterschiede fanden.

Sog. hypoallergene Hunde
Ein hochinteressantes Resultat dieser Studie war der Status von sog. hypoallergenen Hunden, die also auch für Menschen geeignet seien, die gegen Hundehaare bzw. die daran anhaftenden Hautschuppen allergisch sind. Solche Hunde fanden sich in der Studie häufig auch in Familien, in denen zumindest ein Elternteil eine Allergie (mit oder ohne Asthma) aufwies. Hier bestand beim Kind zwar ein positiver Zusammenhang zwischen Hund im ersten Kindeslebensjahr und allgemeiner Allergiehäufigkeit im Alter von 6 Jahren, jedoch blieb die Asthmahäufigkeit unbeeinflusst. Hier überwiegt also offensichtlich der elterliche genetische Einfluss einer Neigung zu Asthma.

Ergänzend nun noch ein Hinweis zu dem positiven Einfluss von Hündinnen (Allergiereduktion von 16%), jedoch nicht von Rüden, der in dieser Studie wahrgenommen wurde. Da in Schweden Rüden kaum kastriert werden, könnte möglicherweise der Effekt bei kastrierten Rüden ein anderer sein. Das müsse noch erforscht werden.

Desensibilisierung als Ursache
Neben den beschriebenen Schlussfolgerungen der Wissenschaftler lassen sich aber bei weiterem Bedenken der Studienresultate zwei weitere Aspekte erkennen, welche in der Studie selbst nicht weiter bedacht wurden. Ausgangspunkt ist das Ergebnis der Studie, wonach hypoallergene Hunde im ersten Lebensjahr des Kindes eine geringere Auswirkung auf die Reduktion späterer Allergien haben als Hunde mit »normalem« Allergenpotenzial.

1. Dies hat Folgen in den Überlegungen zur Ursache dieser positiven Wirkung. Denn diese Tatsache spricht dann nicht so sehr für die Annahme der Studienautoren einer mikrobiellen Exposition als Immunstimulation, die späteres Auftreten von Allergien reduziere, sondern vielmehr für eine Art Desensibilisierung. Denn wenn bei Hunden, die eben nur ein geringes Allergenpotenzial darstellen, der Einfluss auf eine spätere Allergiereduktion nicht so stark ausgeprägt ist, dann spricht das eher dafür, dass das Allergen der Hundehaare der relevantere Faktor ist und nicht die mikrobielle Besiedelung des Fells.

2. Wenn aber das Allergen der Hundehaare der entscheidende Faktor für den Effekt einer späteren Allergiereduktion darstellt, dann konnte eben im ersten Lebensjahr bei dem Kontakt mit einer wenig allergenen Hunderasse auch keine wesentliche Desensibilisierung stattfinden, deren Effekt einer geringeren ­Allergieneigung sich dann im 6. Lebensjahr hätte bemerkbar machen können. Denn unabhängig vom Haarkleid wird die mikrobielle Besiedelung sich bei Hunden nicht wesentlich unterscheiden. Und diese Tatsache unterstützt nun die Annahme, dass das Fell dieser sog. hypoallergenen Hunderassen tatsächlich ein geringes Allergiepotenzial hat und sie daher für Menschen, die gegen Hundehaare allergisch sind, tatsächlich geeignet sein könnten.

Keine vierbeinigen Medikamente!
Auch wenn die positiven Auswirkungen von Hunden in der Familie wissenschaftlich unbestritten sind, so darf es nicht so sein, dass ein Hund quasi wie ein Medikament für eine Familie verschrieben werden soll. Die Bereitschaft, wegen der günstigen Auswirkungen einen Hund in die Familie zu holen, ist für eine gute Mensch-Hund-Beziehung zu wenig. Sie muss mindestens unterlegt sein durch den wirklichen Wunsch nach einem Hund als vierbeiniges Familienmitglied. Alle in der Familie müssen Hunde mögen und müssen sie wirklich wollen. Wenn Hunde in der Familie ein Leben quasi nur als Medikament führen, wenn man sich also zu wenig mit ihnen auseinandersetzt, sich zu wenig um sie kümmert und ihnen ausreichenden Sozialkontakt, Zuneigung und Pflege vorenthält, überwiegen daraus entstehende Nachteile die Vorteile der Hundehaltung bei Weitem. Das heißt, letztlich dürfen die beschriebenen Vorteile nicht der Hauptgrund für die Anschaffung eines Hundes darstellen. Dessen sollte man sich bewusst sein.

Literaturquellen

Die im Artikel zitierte Literatur in alphabetischer Reihenfolge:

• Bergler R.: Heimtierhaltung aus psychologischer Sicht. Zbl. Bakt. Hyg. B183,304-325,1986
• Bergler R.: Warum Kinder Tiere brauchen. Herder Verlag, Freiburg 1994
• Fall T. et al.: Dog characteristics and future risk of asthma in children growing up with dogs. Scientific Reports 2018;8:16899 (DOI:10.1038/s41598-018-35245-2)
• Hesselmar B. et al.: Does early exposure to cat or dog protect against later allergy development? Clin Exp Allergy 199;29:611-617
• Hesselmar B. et al.: Pet-keeping in early life reduces the risk of allergy in a dose-dependent fashion. PLoS ONE 2018;13(12): e0208472 (DOI:10.1371/journal. pone.0208472)
• Montagner H., Millot JL., Filiatre JC. et al.: Recent data on the interaction between a child and its family pet. Bull. Acad. Natl. Med. 172(7):951-955,1988
• Mosser H.: Einfluss von Hundehaltung auf Leben und Gesundheit des Menschen. Hundemagazin WUFF 7/8:10-11,1996
• Ownby D. et al.: Exposure to Dogs and Cats in the First Year of Life and Risk of Allergic Sensitization at 6 to 7 Years of Age. JAMA 2002;288(8):963-972 (DOI: 10.1001/jama.288.8.963)

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