Staffordshire Bullterrier: Kinderliebes Kraftpaket

Von Dr. Hans Mosser

Er sieht aus wie ein kleines Kraftpaket und wird doch im Herkunftsland der Rasse als »Nanny Dog« (»Kindermädchen-Hund«) bezeichnet, weil er gelassen und besonders liebevoll zu Kindern sei, was auch ausdrücklich im ­Rassestandard vermerkt ist. Doch weil ­unbedarfte Politiker, getrieben von der Boulevard­presse, ihn auf Rasselisten ­setzten, wurde er in der Öffentlichkeit zu einem »Kampfhund« gestempelt. Dass er alles andere als ein solcher ist, ist einhellige Meinung aller Wissenschaftler und anderer Experten.

Der Staffordshire Bullterrier war eine der Lieblingsrassen von Dr. Dieter Fleig, dem Gründer und bis zu seinem Tod Leiter des Kynos Ver­lages. Dies hat er auch mehrmals WUFF-Redakteuren gegenüber betont. Ein von Fleig 1988 geschriebenes Buch über die Rasse hatte auch großes Interesse im angloamerikanischen Raum gefunden. Dann übersetzte Fleig das Buch von Danny Gilmour über den Staffordshire Bullterrier ins Deutsche und brachte es 1996 im Kynos Verlag heraus. Diese beiden Bücher gelten noch heute als Standardwerke der Rasse und enthalten viele Informationen, gerade auch zur Geschichte.

Die Vergangenheit
Ja, Vorfahren des StaffBulls, wie die Rasse oft abgekürzt genannt wird, haben eine Vergangenheit in Hundekämpfen. Dies ganz einfach, weil es im Großbritannien des 19. Jahrhunderts üblich war, Hunde gegen ­Artgenossen oder andere Tiere kämpfen zu lassen. Auch andere, heute als abscheulich empfundene Dinge gab es damals. Damit für Schaukämpfe eingesetzte Hunde im Ring problemlos zu hand­haben waren, mussten sie zu Menschen ganz besonders freundlich sein. »Die Rasse entwickelte sich in der häuslichen Enge der ärmlichen Arbeiterwohnungen. Wäre jeder Hund ein derartig blutrünstiger Killer gewesen, wie ihn die Regenbogenpresse heute schildert, dann hätte er in diesen Wohnungen der kinderreichen Familien kaum Platz gefunden«, schreibt Hans Räber in seiner »Enzyklopädie der Hunde« über den StaffBull.

Diese Menschenzugewandtheit, die ja offensichtlich ­gerade auch Kinder betraf, war unter anderem auch ein ausdrückliches ­Selektionskriterium in der Zucht dieser Hunde und hat zu ihrer Bezeichnung als »Nanny Dog« geführt, vor allem in der Zeit nach 1835, als Tierkämpfe in Großbritannien verboten wurden. Erst 1935 mit seiner Anerkennung als Rasse beim britischen Kennel-Club kam es zur Entwicklung des Staffordshire Bullterriers, wie wir ihn heute kennen. Ihn heute noch als Kampfhund zu bezeichnen, entspricht daher nicht der weiteren Entwicklung dieser Rasse seit 1935! Ähnliches gilt auch für den größeren American Staffordshire Terrier, der sich in den USA im ausgehenden 19. Jahr­hundert aus den gleichen Vorfahren wie der britische Staffordshire Bullterrier entwickelt hat.

Wer sich näher für die Historie des StaffBulls interessiert, sei unter anderem auf die eingangs erwähnten Bücher verwiesen. Hier nur so viel: Dass die Rasse aus Kreuzungen zwischen weißen Bulldoggen und Terriern (wie dem kurzhaarigen Foxterrier sowie dem White English Terrier) entstanden ist, dürfte einhellige Meinung der Rasseexperten sein.

Kleiner Begleit- und Familienhund
In einem 2002 von der renommierten Ethologin an der Universität Kiel, Dr. Dorit Feddersen-Petersen, über diese Rasse verfassten Gutachten stellt die Wissenschaftlerin fest, dass »der Ansatz bei der vermeintlich ‚­gefährlichen Rasse‘ falsch ist. Dieses verdeutlicht der Staffordshire ­Bullterrier par excellence: er fehlt in objektiv er­hobenen, validierbaren Beißstatistiken, er fiel durch besondere Verträglichkeit bei unseren Wesenstests auf, er wird in der kynologischen und ‚gehobenen‘ kynologischen Literatur als kleiner Begleit- und Familienhund genannt – und seine Halter stammen nach unseren Erhebungen genau aus diesem sozialen Bereich. Der Staffordshire Bullterrier zeigte – so sei pauschalierend geantwortet – keinerlei Belege dafür, dass er als unwiderlegbar gefährlich einzustufen wäre. Diese Pauschalierung mutet vielmehr abenteuerlich falsch an.« (Feddersen-Petersen, Gutachten über Staffordshire Bullterrier, Kiel 2002).

Wesen der Rasse
Im vorgenannten Gutachten von Feddersen-Petersen kommt die Ethologin zum Schluss, dass die von ihr untersuchten Staffordshire Bullterrier sehr gut sozialisiert und trainiert, also sehr gut im Verhalten zu beeinflussen gewesen seien. Überdies hätten sie überrascht durch ihre Ruhe und ihre vielfältigen Bewältigungsstrategien anlässlich der Testsituationen, die provozieren ­sollten. »Es gab keinen ­einzigen Staffordshire Bullterrier, der hektisch und unkontrollierbar reagierte, die Hunde wirkten ausgeprägt sozial sicher und waren sehr stressresistent«, so die Wissenschaftlerin, die weiterhin feststellt: »Die analysierten Individuen zeigten ausnahmslos ein ausgeprägtes Sozialverhalten, waren anpassungsfähig und gingen sozialen Auseinandersetzungen, wenn möglich, aus dem Wege«. ­Feddersen-Petersen betonte allerdings auch, dass die Halter der von ihr untersuchten Hunde besonders kenntnisreich und zuverlässig waren. Dies zeigt generell die Bedeutung der Aufzucht, Erziehung und Haltung eines Hundes für sein Verhalten. Im Übrigen halten auch zahlreiche Züchter ihre Hunde im Rudel, was für ihre Sozialverträglichkeit spricht.

Korrelierend mit den Informationen vieler Halter dieser Rasse wird der StaffBull als »exzellenter Familienhund« ausgewiesen, d.h. als ein Hund, der sich gut in sein familiäres Umfeld eingliedern kann. Sein oft spaßiges und clownhaftes Wesen gepaart mit Ruhe und Gelassenheit, aber durchaus auch temperamentvollem Spiel, macht ihn zu einem beliebten Begleiter von Erwachsenen und Kindern gleichermaßen. Doch soll nicht vergessen werden darauf hinzuweisen, dass all dies stets unter der Voraussetzung gilt, dass der Hund aus einer seriösen Zucht stammt, gut erzogen ist und gut gehalten wird. Dass man Kleinkinder und Hunde generell nicht unbeobachtet zusammen lässt, sollte ebenfalls selbstverständlich sein.

Interessiert man sich für diese Rasse, sind die je nach Bundesland geltenden Rasse­bestimmungen (in welcher Zeit leben wir, dass wir wieder solche ­Wörter verwenden müssen?) zu beachten, ­welche den Erwerb und die Haltung von Hunden bestimmter Rassen verbieten, ein­schränken oder mit verschiedenen Auflagen versehen.

Literaturquellen

• Dieter Fleig, Staffordshire ­Bullterrier, Kynos Verlag 1988
• Hans Räber, Enzyklopädie der ­Rassehunde, 1996
• Danny Gilmour, Staffordshire Bullterrier heute, Kynos Verlag 1997
• Feddersen-Petersen, Gutachten über Staffordshire Bullterrier, Kiel 2002

The Britain‘s Top-Dog 2019

Bei der britischen Lieblingshunde-Show vom Sender ITV wurden basierend auf einem Voting von 10.000 Teilnehmern bei einer zweieinhalbstündigen Live-Show aus den 217 anerkannten Hunderassen des Landes die beliebtesten Rassen gewählt.

Unter die Top 10 schafften es auch populäre Rassen wie der Deutsche Schäferhund, Labrador und der Cocker-Spaniel, aber die große Überraschung war der Sieger des Votings. Der Staffordshire Bullterrier wurde zur beliebtesten Hunderasse des Landes gekürt, was viele Zuschauer verblüfft hat. Für manche war jedoch fast ein Schock, als der Labrador, der Gewinner des letzten Jahres, den dritten Platz hinter dem Cockapoo erreichte, einer Mischung aus Cocker-Spaniel und Pudel.

Am Ende brach großer Jubel aus, als die oft ungerechtfertigt als gefährlich verleumdete Rasse Staffordshire Bullterrier als Gewinner des »The Britain‘s Top-Dog 2019« bekannt gegeben wurde.

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