Sich an etwas Konkretes erinnern oder sich Zukünftiges vorstellen zu können ist ein wichtiger Parameter für die Empfindung von Zeit und Zeitdauer. Dies wurde bis vor kurzer Zeit noch ausschließlich als eine Fähigkeit des Menschen angesehen. Die Wissenschaft hat diese Ansicht jedoch mittlerweile gehörig zerzaust. Tatsächlich finden sich immer mehr Hinweise, die nahelegen, dass auch Hunde – zumindest grundsätzlich – dazu in der Lage sind, Zeit zu empfinden.
Oft hört man, dass Hunde kein Zeitgefühl hätten. Sie würden nur in der Gegenwart leben, sozusagen im Jetzt »steckenbleiben« bzw. »gefangen sein«, wie dies auch eine Studie des kanadischen Psychologen William Roberts von der University of Western Ontario nachgewiesen haben will (Roberts 2002). Wenn seine These stimmt, dass Hunde kein Gefühl für Vergangenes haben und auch nicht Zukünftiges antizipieren können, dann scheint die Alltagserfahrung der Hundehalter dem zu widersprechen. Wenn Frauchen oder Herrchen die Leine oder das Halsband in die Hand nehmen, um es dem Vierbeiner anzulegen – was ist dann die meist freudig-überschwängliche Reaktion des Hundes darauf anderes als die Erwartung des Zukünftigen, was jetzt passieren wird? Oder was ist das anderes als die Antizipation von Zukünftigem, wenn – wie viele Hundehalterinnen berichten – der Hund weiß, dass Frauchen in der nächsten Stunde ohne ihn ausgehen wird, sobald er bemerkt, dass sie sich zu schminken beginnt. Und das sind nur zwei Beispiele von vielen im täglichen Hundealltag, wo angenommen werden kann, dass der Hund weiß bzw. erwartet, was zumindest in naher Zukunft passieren wird. Wie weit in die Zukunft hinein dieses Wissen geht, ist natürlich unbekannt. Vermutlich aber nicht allzuweit. Jedenfalls kann der Hund beim Zusammentreffen bestimmter Faktoren vorhersehen, dass dies oder das demnächst passieren wird. Als bloßes Reflexgeschehen einer biologischen Maschine, wie dies manche meinen, ist das nicht erklärbar.