Sie leben in einer Hundewelt

Von Thomas Schwank

Ein Film über außergewöhnliche Menschen

Hundezüchter sind schon ein bisschen merkwürdig! ­Diesen Satz hört man so oder in ähnlichem Wortlaut häufig, wenn Erstbesucher ihre Eindrücke von ­Hundeausstellungen schildern sollen. Zumeist herrscht Befremden über das vermeintlich merkwürdige Verhalten der Züchter und Aussteller, manche müssen sogar darüber lachen. Dazu kommt, dass die Berichterstattungen vieler Medien – häufig mit süffisantem Unterton – Züchter pauschal verurteilen: Schaut mal, wie skurril diese Typen mit ihren überstylten Hunden sind, die züchten die Hunderassen kaputt und ­verdienen sich auf Kosten ihrer armen Hündinnen viel Geld nebenbei. Es wird nicht viel recherchiert, Artikel und Berichte über seriöse Züchter strotzen häufig vor inhaltlichen Fehlern. Es scheint, als nimmt man sie nicht ernst – und das hat mich schon immer gestört. Denn es gibt viele Züchter, die ihre Hunde über alles lieben, sich ihnen mit ihrer ganzen Energie widmen und Zucht als alte Kultur begreifen, die wir Menschen schon immer betrieben haben. Davon handelt mein Dokumentarfilm „This is a dog’s world“.

Seit über 20 Jahren, also mein komplettes Berufsleben als Drehbuchautor und Filmemacher, besitze ich Hunde und bin in der Ausstellungswelt unterwegs. Begonnen hat alles mit ­unserem ersten Hund, einem Boston Terrier, einer damals in Deutschland noch wenig bekannten Rasse. Die Züchter baten uns, den Hund auszustellen, da er für die Zucht vielversprechend und recht typvoll sei. Ohne genau zu ver­stehen, was damit gemeint war, kamen wir dem Wunsch nach und ich tauchte in das Paralleluniversum Hundewelt ein, das mich bis heute fasziniert.

Für meinen Film habe ich mehr als anderthalb Jahre lang mehrere ­Züchter quer durch Europa begleitet. Mein ­Kameramann Theo Solnik und ich zeigen unsere drei Hauptprotagonisten (Alina, Jana und Thomas) auf Ausstellungen, bei Zuchtzulassungen, Wurf­abnahmen durch den Zuchtwart und ganz privat. Zum Beispiel Thomas aus ­Brandenburg: Als er selber noch gesund war, kümmerte er sich um Kranke, heute umsorgt er nur noch seine Hunde. Bei ihm wird spürbar, wie viel Lebenskraft ihm die Hunde geben. Auch sehr spannend ist, wie sich Thomas bei einer blutigen Futterzubereitung für seine Hunde auf die Ernährungsgewohnheiten afrikanischer Massai bezieht. Ebenfalls sehr beeindruckt hat mich Jana aus Mecklenburg Vorpommern. Sie züchtet seit vielen Jahren ihre geliebten ­Boston Terrier. Während der Dreharbeiten war sie schwanger, leider war es eine Risikoschwangerschaft. Aber Jana blieb optimistisch, denn ihre Erfahrungen mit Hundegeburten halfen ihr in dieser belastenden Situation.

Als seriöse Züchter sind Jana, Thomas und auch Alina aus Polen in Rassehundevereinen organisiert, die dem Verband für das deutsche Hundewesen e.V. (VDH) bzw. dem internationalen Dachverband der Hundezüchter Fédération Cynologique Internationale (FCI) zugeordnet sind. Darum unterliegt ihre Zucht vereinsinternen Auflagen und Kontrollen. Kein Weg ist ihnen zu weit, um eine Hündin zu verpaaren oder ihre Hunde auf Hundeshows zu zeigen, denn die meisten Züchter träumen davon, den schönsten Hund zu haben. Insbesondere Berichte über diese Schönheitswettbewerbe werden immer wieder genutzt, um sich über Züchter und Aussteller lustig zu machen. Dabei folgen Hunde­aussteller einem international anerkannten Reglement. Überall auf der Welt haben Ausstellungen dieselben Abläufe. Besonders deutlich wird das auf einer der weltweit größten Ausstellungen, der World Dog Show, die 2015 in Mailand stattfand. Dorthin sind Aussteller mit ihren Hunden aus der ganzen Welt gereist. Wir haben die international erfolgreiche Züchterin Alina nach Mailand begleitet. Im Ausstellungsring kämpft sie leidenschaftlich um eine Platzierung und bekennt voller Begeisterung: It’s hard to live without.

Mich wundert, wie wenig das Ausstellungswesen als eigenes Kulturevent und Unterhaltungsformat wahrgenommen wird. Nicht nur die Hunde, sondern ­jeder Teilnehmer ist Bestandteil der Show. Meine Protagonistin Alina wählt wie die meisten Aussteller für Hunde­shows besondere Kleidung, viele tragen sie nur zu diesem Anlass. Dadurch hat sich weltweit ein typischer Kleidungsstil für Ausstellungen entwickelt. Bei den Damen haben sich farbenfrohe aber konservativ geschnittene Kostüme etabliert. Bei den Herren hat sich der klassische Anzug durchgesetzt, der eher etwas weiter geschnitten ist. Für den Zuschauer wird der Ausstellungsring somit auch zum Laufsteg einer Modenschau. Das trägt natürlich zum großen Unterhaltungsfaktor der Hundeausstellungen bei. Sicher ist die Frage berechtigt, ob die Entwicklung der Hundeausstellungen zu einem Zuschauerspektakel der Rassehundezucht gut tut. Denn die Bedeutung des Ausstellers, sein Äußeres und sein Können, einen Hund perfekt zu präsentieren, dürfte gelegentlich zu einem unangemessen hohen Anteil dazu beitragen, wie der Hund platziert wird.

In meinem Dokumentarfilm kommen ausschließlich Züchter, Aussteller, Hunderichter und Zuchtwarte zu Wort. Mir war es wichtig, die Protagonisten erzählen zu lassen und nicht über sie zu berichten, darum fand ich es nur folgerichtig, auf einen Off-Kommentar oder eine Erzählstimme zu verzichten. Auch werden einige Hunderassen gezeigt, die in der Diskussion um Qualzuchtmerkmale stehen. Ich hoffe, damit unvoreingenommene Zuschauer überraschen zu können. Mir kam es vor allem darauf an, einen unmittelbaren Einblick in die Welt von Züchtern zu geben und zur Diskussion rund um das Thema Hunde­zucht eine differenzierte Sichtweise beizutragen.

Pdf zu diesem Artikel: film_dogs_world

 

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