Albanien: Zu sechst im 6-Meter Camper

Von Max und Deborah Furin

Max und Deborah Furin wollen es wissen. Im sechs Meter langen Campingbus zu sechst nach Albanien. In den Camper müssen Max, Deborah, ihre zwei Kinder Noah und Isabella sowie Shar Pei Kolja und Großpudel Rebecca passen. Sie erleben Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit – aber auch Armut an allen Ecken des Landes. Max und Deoborah halten die Reise mit einer Kamera fest.

Zu sechst im 6 m Kastencamper nach Albanien. Zu sechs heißt: wir, Max, Deborah, mit unseren zwei Kindern Noah und Isabella sowie unser Shar Pei Kolja und Großpudel Rebecca. Zu sechst also im 6 m Kastenwagen mit zwei Kindern und zwei großen Hunden nach Albanien. Geht das? Klar geht das! Ich will nicht sagen, dass es keine Abstriche gibt und es nicht manchmal verdammt hart ist, mit seinem Kopf genau über dem Schlafplatz von einem Shar Pei wie Kolja und seinen Fürzen zu schlafen, die einen in einen Koma-ähnlichen Zustand versetzen, aber man spart sich auch sämtliche Einschlafhilfen. Der Pudel ist harmlos. Ich meine, gut, wir haben nicht das schlauste Modell erwischt, aber Gott segne ihr reines Herz und außerdem passt ihre völlig planlose Art wirklich perfekt zu unserer völlig planlosen Art. Zu sechst also im 6 m Kastencamper ein 6.000 km Trip durch Albanien. Wir werden uns entlang der Jadranska Magistrala über Kroatien und Montenegro auf den Weg nach Albanien machen, die EU verlassen und das Abenteuer unseres Lebens antreten.

Mit im Gepäck eine Titerbestimmung über den Tollwutstatus, denn für die Wiedereinreise in die EU ist das Vorschrift, wenn man die EU mit Hund verlässt. Hier reicht leider auch nicht der normale Heimtierausweis mit Impfung allein aus. Eine atemberaubende Küstenstraße ist unser Weg, die Jadranska Magistrala, die sich komplett entlang der Küste Kroatiens bis hin nach Montenegro erstreckt. In Dubrovnik erleben wir die erste Ernüchterung. Hunde sind in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erlaubt. Das hat diesmal wirklich nichts damit zu tun, dass Kolja nicht durch die Gewichtskontrolle gekommen ist, Hunde sind schlichtweg nicht erlaubt und wir sind deswegen ganz schön beleidigt. Allerdings finden wir einen Tag später einen netten Kroaten, der uns nicht nur samt den Hunden in die Altstadt fährt, sondern auch zusammen mit uns motzt, dass in öffentlichen Verkehrsmitteln keine Hunde erlaubt sind. Denis, so heißt unser Taxifahrer, in dessen Kofferraum grade unsere Hunde sitzen, erzählt uns während der Fahrt in die Kamera, wie er den Massentourismus empfindet, den Dubrovnik und viele weitere Teiles des Landes seit Jahren erfahren. Es ist wenig los in der »Old Town«, wie sie dort jeder nennt. Wenn man nachmittags um 16 Uhr einen Ausflug plant, ist es die perfekte Zeit, um zusammen mit seinen Hunden die Stadt zu erkunden.

Am nächsten Tag ziehen wir weiter durch Montenegro und sind wenige Tage später in Albanien. Wir sind grade über die Grenze, kontrolliert hat hier niemand etwas und fahren nun durch die Stadt Shkodra. Stille im Wohnmobil, man hört lediglich Koljas rhythmisches Schnarchen. Stille, weil wir doch sofort merken, dass wir in einem Land angekommen sind, dem es deutlich schlechter geht als uns. Wir sehen Menschen, die arm sind, Menschen, die in Häusern leben, in denen hierzulande wegen Einsturzgefahr niemand leben würde und unser Herz bricht spätestens an der Stelle, als wir eine Hündin mit ihren Welpen sehen, die in der Mülltonne nach Fressen sucht.

Max versucht sich noch bei den ersten Straßenhunden einzureden, dass es einfach nur Hunde sind, die ohne Leine laufen, doch spätestens nach dem 10. wird aber auch ihm klar, dass dies nicht der Fall ist. Ich frage ihn vor laufender Kamera, wie sein erster Eindruck ist, seine Gedanken hängen immer noch bei der Hündin mit ihren Welpen. Wenn man Straßenhunde in dieser Häufigkeit zum ersten Mal sieht, trifft es einen mitten ins Herz. Abends hört man in der Entfernung das Gebelle der Straßenhunde.

Wenn du als Straßenhund in Albanien geboren wurdest, gehörst du zu denen, für die es auf dieser Welt keinen Platz gibt. Das Einzige, was wir dazu beitragen können, um ihr Leben etwas erträglicher zu machen, ist, ihnen ein Stück weit Liebe zu schenken. Auch wenn es nur für einen Moment ist. Und Futter von Kolja. Aufgrund seines unendlichen Hungers wissen wir, Futter ist wichtig, am besten 24 Stunden, 24 kg in der Minute oder so ähnlich, wobei Rebecca als Straßenhund ein sehr entspanntes Leben hätte, denn Fressen wird in ihren Augen total überbewertet. An der Stelle sei gesagt, dass Albanien ein Land ist, in dem es noch Tollwut gibt. In Städten besteht keinerlei Gefahr, allerdings könnte es unter Umständen in den Bergen und Wäldern anders aussehen. Angst braucht man dennoch keine zu haben. Wir ziehen weiter Richtung Küste und merken schnell, Hunde sind in Albanien nirgendwo ein Problem, auch am Strand nicht. Die Einheimischen reagieren sehr herzlich auf unser Lockentier und den Falten-Typ. Den Hunden wird immer Wasser angeboten und wir kommen überall mit Hunden rein. In jedes Geschäft, jedes Restaurant, auch auf den Wochenmärkten kümmert man sich rührend um die zwei. Rebecca signalisiert allerdings auch jedem, dass sie unter einer sehr ausgeprägten Streichelsucht leidet, was dazu führt, dass jeder sie streicheln will oder vielleicht auch eher von ihr dazu regelrecht genötigt wird. Dieser Hund kennt beim Thema Streicheleinheiten leider keine Grenzen.

Wir wollen zu den heißen Schwefelquellen von Bënja und müssen dort Kolja davon abhalten, das Schwefelwasser zu saufen. Der faule Eiergeruch scheint es ihm besonders angetan zu haben. Neben der Sorge, dass Schwefelwasser sicher nicht gesund ist, machen wir uns auch Sorgen, ob der Genuss des Wassers weitere Konsequenzen für die Geruchsnote seiner nächtlichen Pupserei haben könnte. Wir haben schon öfters von Gasüberfällen im Wohnmobil gehört, nicht in Albanien, allerdings wären wir sicher auch der erste Fall, in dem dieser Überfall durch den eigenen Hund stattgefunden hätte.

An den Schwefelquellen gibt es in dem hinteren Abschnitt eine wunderschöne Schlucht und während wir uns barfuß über die dicken Steine im Flussbett quälen, lässt Rebecca uns wie Anfänger aussehen und springt elegant von Stein zu Stein. Und Kolja? Kolja hat mit 9 Jahren seine Vorliebe für Wasser entdeckt. Ja, dieser Hund schwimmt nicht besonders gut und irgendwie scheint sein Kopf zu schwer für den Rest seines Körpers zu sein, er schwimmt eindeutig im »Enten-Style«, aber er liebt es wirklich sehr, und bei den warmen Temperaturen ist es für alle eine willkommene Abkühlung. Kolja ist ein Abenteurer, wir sehen das in seinem Blick und wir sehen das an seinem Schlammschnäuzer, weil er seine Nase einfach überall reinsteckt. Leider ist das in Albanien nicht immer gut. Es hat seit 5 Monaten nicht mehr geregnet, die Wälder brennen in vielen Teilen des Landes. Gelöscht wird das hier häufig von niemandem. Es herrschen Temperaturen jenseits der 40 Grad und das Wasser in den Seen erwärmt sich deutlich. Die Wasserqualität interessiert in den Seen in Albanien hier niemanden. Etwas, über das man sich erst im Nachhinein Gedanken macht. Denn Kolja geht es plötzlich schlecht, sehr schlecht. Nach Anruf bei unserem deutschen Tierarzt liegt die Vermutung auf eine Blaualgenvergiftung sehr nahe. Er atmet nur noch ganz flach, sein Blick schaut völlig ins Leere, stehen kann er nicht mehr, seine Schleimhäute sind porzellanweiß und er lässt Urin unkontrolliert laufen. Wir wissen, dass wir dringend einen Tierarzt brauchen, aber suchen in Albanien vergeblich. Während wir völlig panisch umherfahren und nach Hilfe suchen, geht es Kolja allerdings immer besser. Bis heute wissen wir nicht, was er hatte, selbst unser Tierarzt ist ratlos. Eine gut ausgestattete Reiseapotheke in Albanien ist allerdings Pflicht, nicht nur für uns Menschen, auch für den Hund, denn dort bist du unter Umständen mit deinem Hund auf dich alleine gestellt. Wir erfahren später von einem Einheimischen, dass es nur drei Tierärzte im ganzen Land gibt, die von unserem Standort mehrere Stunden Fahrt entfernt lagen und uns im Notfall nicht hätten helfen können.

Als wir weiterziehen, meldet sich unsere Ad-Blue Anzeige im Bus und an dieser Stelle zeigt sich die gleiche Planlosigkeit bei uns, die auch unser Pudel besitzt. Ad-Blue in Albanien ist ein echtes Problem! Man wird es sicherlich irgendwo im Land bekommen, die Frage ist allerdings wann und nach wie vielen Kilometern. Der gut ausgestattete Camper fährt in so ein Land mit einem Kanister Ad-Blue auf Vorrat, der planlose Camper, wie wir es sind, fährt diese Kanister allerdings ohne Einfüllstutzen durch die Gegend. Aus Erfahrung können wir jetzt sagen: Ein Küchentrichter funktioniert nur semioptimal und Ad-Blue brennt wie sau auf den Mückenstichwunden!

Wir reisen weiter und sind beeindruckt von der Schönheit dieses Landes, denn die Natur zeigt sich hier von ihrer schönsten Seite. Wir sehen türkisfarbene Flüsse überall, die zum Baden einladen, sehen den schönsten Canyon Europas, den Osum Canyon, wundervolle Berge, eine traumhafte Küste mit Ecken, die nicht umsonst »die Karibik von Europa« genannt wird. Aber nicht nur die Landschaft, auch Albaniens Menschen sind voller Herzlichkeit und Liebe, sowohl für uns als auch für unsere Hunde. Sie sind überall willkommen und immer gerne gesehen. Ein Land, das uns tief im Herzen berührt, das uns zeigt, dass Menschen, die arm sind, so viel reicher im Herzen sind. Dass Werte wie Nächstenliebe und Freundlichkeit hier einen sehr hohen Stellenwert haben. Jeder hat ein Lächeln für dich, jeder bietet dir seine Hilfe an. Du bist in Albanien niemals allein, denn an jeder Ecke wartet jemand, der dir seine Freundlichkeit schenkt. Es ist eine Herzlichkeit, die wir bis dahin noch nie in unserem Leben kennengelernt haben. Ein Land voller Liebe, dessen schlechte Vorurteile, die hierzulande häufig herrschen, mit der Realität rein gar nichts zu tun haben. Albanien und seine Menschen hätten es verdient, dass mehr Touristen in ihr Land kommen und es kennenlernen. Es ist das Land der Freisteher, hier ist Wildcampen ausnahmslos überall erlaubt. Die Menschen im Land freuen sich über jeden Camper und immer wieder werden wir eingeladen auf ihrem privaten Grundstück zu übernachten.

Die Geschichte über unsere Reise nach Albanien haben wir verfilmt. Es ist ein Film von Liebe, Armut, Herzlichkeit und Freundschaft. Wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, unsere Reisedokumentation frei zugänglich für jeden zu ermöglichen, denn gerade auf unseren Reisen haben wir noch einmal genauestens vor Augen gehalten bekommen, dass Geld auf dieser Welt sehr unterschiedlich verteilt ist, auch in Deutschland. Daher vertrauen wir auf freiwillige Unterstützung. Unser Film »Lumturi – auf der Suche nach dem wahren Reichtum« ist auf unserem YouTube-Kanal Constantins Diary zu sehen.

Link zum Film:

 

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