Leine als Vertrauens-Bildung? – Freiheit an der Leine

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Nur wenige Menschen können sich vorstellen, dass ihr Hund sich gut fühlt, wenn er an der Leine neben uns herläuft. Die Leine bedeutet für viele Menschen das Gegenteil von Freiheit, Unbeschwertheit und Glück. Deshalb möchte ich ein Stück dazu beitragen, dass Sie die Leine als nützliches Werkzeug sehen, um die Verbindung zu Ihrem Hund noch weiter zu stärken. Es ist nicht so, dass sich Ihr Hund nur dann frei fühlt, wenn er ohne Leine laufen darf. Er fühlt sich auch frei, wenn er sich keinen Kopf machen muss. Freiheit bedeutet für ihn in erster Linie frei sein im Kopf. Und das kann er nur, wenn er merkt, dass Sie ihm Sicherheit geben und die Verantwortung übernehmen, so dass er nichts weiter zu tun hat, als Sie zu begleiten.

Heutzutage leben die meisten Menschen in einer Umgebung, in der unser Hund zumindest zeitweise angeleint werden muss. Ich empfehle daher jedem Hundehalter, seinem Hund von Anfang an zu zeigen, wie das An-der-Leine-Laufen richtig funktioniert. Dann ist es für ihn bald etwas ganz Natürliches und bleibt es auch sein Leben lang. Zeigen Sie Ihrem Hund, dass die Leine etwas Gutes ist, ein optisches Signal dafür, dass er beim Gassigehen entspannen kann und sich an Ihrer Seite sicher fühlen kann. Die Leine ist ein Band, das Sie beide miteinander verbindet. Keine Strafe!


Um eine Verbindung zwischen Hund und Mensch zu schaffen, ist die Leine ein hilfreiches Mittel. Dementsprechend sollte man sie natürlich nicht dazu benutzen, den Hund zu bestrafen oder wie verrückt an ihr zu reißen. Genauso wenig wie sie dazu da ist, sich an ihr festzuhalten und sich von seinem Hund durch die Gegend ziehen zu lassen. Wenn ein Hund schlecht an der Leine geht, ist das ein Signal dafür, dass die Mensch-Hund-Beziehung nicht stimmt. Wenn Ihre Beziehung stimmt, können Sie die Leine locker in der Hand halten. Die Leine dient lediglich dazu, das Band, das zwischen Mensch und Hund besteht, auch nach außen sichtbar zu machen und die Richtung zu zeigen, in die es gehen soll.

»Wenn die Mensch-Hund Beziehung stimmt, macht es dem Hund nichts aus, neben uns
herzulaufen. Im Gegenteil, er genießt es sogar, weil es seiner Natur entspricht, uns zu begleiten.«

Bedenken Sie bitte immer, dass die Leine, sofern wir sie falsch einsetzen, für den Hund durchaus etwas Negatives ist. Das liegt sehr oft daran, dass wir ihn im falschen Moment an die Leine nehmen. Wenn Sie zum Beispiel zum Gassigehen aufbrechen wollen und der Hund ist aufgeregt, ist das nicht der richtige Zeitpunkt, ihn anzuleinen. Denn dann bedeutet die Leine ebenfalls nur ­Aufregung. Und die nimmt der Hund mit auf die Straße, wo er dann vermutlich zieht und zieht und zieht. Wenn Ihr Hund aufgeregt und nervös ist, warten Sie auch hier ab, bis er sich beruhigt hat. Nehmen Sie sich Zeit und verlieren Sie nicht die Geduld. Gerade wenn sich Fehler schon vor längerer Zeit eingeschlichen haben und falsches Verhalten zur Gewohnheit geworden ist, dauert es manchmal, alles wieder glattzubügeln. Ein junger Hund weiß natürlich erst einmal nicht, was eine Leine ist. Er wird sie vielleicht als Spielzeug ansehen. Die Leine ist die Verbindung zwischen ihnen beiden und kein Spielzeug. Zeigen Sie das Ihrem Hund, indem Sie ihn an die Leine nehmen und tolle Dinge mit ihm unternehmen. Ein älterer Hund hat bisher vielleicht nicht erlebt, dass die Leine etwas Gutes ist. Dann muss man ihm das genauso erst zeigen, indem man die Leine immer mit schönen Sachen verbindet, so wie man es mit einem Welpen tun würde. Auf diese Weise lernt der Hund die neue Bedeutung der Leine. Bedenken Sie dabei, alles, was Sie mit Ruhe machen, wird Ihr Hund auch mit Ruhe assoziieren.

»Die Leine darf nicht wie eine Gitarrensaite gespannt sein. Sie muss immer locker bleiben. Die Kraft ist in dir selbst, nicht in der Leine.«

An der Schlepp-Leine?
Immer wieder höre ich, man solle Welpen oder Hunde an der Schlepp- oder Roll-Leine ausführen. Dann könnten sie einerseits »frei« herumstöbern, andererseits hätte man jedoch stets die Kontrolle und es bestünde jederzeit die Möglichkeit, sie zurückzuholen. Ich selbst würde so eine Leine – vor allem im Welpenalter – nicht empfehlen. Ist der Hund noch jung, zerstört man den »Folgeinstinkt«, wenn er zu viel eigenständig herumstöbern darf. Und der ältere Hund kann nur lernen, bei seinem Frauchen oder Herrchen zu laufen, wenn diese währenddessen die Kontrolle übernehmen und der Hund sich darauf konzentriert, bei ihnen zu sein. Die lange Leine verhindert das eher. Ich würde sie daher allenfalls in der Pause beim Spaziergang benutzen, wenn das Gelände nicht sicher ist. Auch das Kommen lernen Hunde nicht dadurch, dass man sie an der langen Leine zurückzieht.

Die Leine gibt Sicherheit
Natürlich erfüllt die Leine auch den Zweck, den Hund zu sichern. Gerade im Welpenalter, wenn der Hund noch nicht so viel erlebt hat, werden Sie immer wieder in Situationen geraten, die ihn möglicherweise erschrecken, sei es, weil das Moped neben Ihnen eine Fehlzündung hat oder eine Horde kreischender Teenager den Gehweg blockiert oder ein unerzogener Artgenosse ihn angehen will … Ohne Leine würde er in so einem Fall vielleicht panisch wegrennen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was geschähe, wenn das gerade an einer stark befahrenen Straße passierte. Zu guter Letzt zeigen Sie mit der Leine nicht nur Ihrem Hund, dass Sie die Verantwortung für ihn übernehmen, sondern auch Ihren Mitmenschen. Auch wenn Sie selbst nicht dazugehören: Es gibt Leute, die sich vor Hunden fürchten. Und auch wenn man sie mag, möchte man nicht zwangsläufig von jedem freudig begrüßt oder sogar angesprungen werden. Es ist ein Irrtum anzunehmen, Hunde würden ihrem Menschen nur deshalb folgen, weil sie so trainiert wurden oder ängstlich sind. Es liegt in ihrer Natur, dass sie ihrem Menschen erst einmal überallhin hinterherlaufen. Sie müssen das nicht lernen, sondern folgen einfach ihren Instinkten. Ob der Hund dabei eine Leine trägt oder nicht, spielt für ihn keine große Rolle. Das macht die ganze Sache im Prinzip sehr einfach. Denn im Grunde müssen Sie nichts tun, als diesen natürlichen Folgeinstinkt zu füttern.

Hundebegegnungen an der Leine
Wir glauben oft, dass Hunde vor allem unter ihresgleichen glücklich sind. Dabei gibt es gerade dann oft Probleme. Zum Glück kann man viel dazu beitragen, dass solche Treffen für alle Beteiligten entspannt verlaufen. Was viele von Ihnen vermutlich verwundern wird, ist die Tatsache, dass ein Hund nicht automatisch Spaß hat, wenn er auf seinesgleichen trifft. Es ist ja nicht so, dass sich alle Hunde miteinander verstehen, bloß weil sie eben Hunde sind. Wie bei uns Menschen gibt es solche, die sich sympathisch sind, und solche, bei denen die Chemie einfach nicht stimmt und auch nicht jeder Hundehalter ist erfreut über spontane Zusammentreffen mit anderen Hunden. Es gibt eine allgemein bekannte Regel unter Hundehaltern: Treffe ich auf einen Hundehalter, der seinen Hund an der Leine führt, nehme ich aus Respekt auch meinen Hund an die Leine.

Ich kenne Fälle, in denen die Leute zu den unmöglichsten Zeiten Gassi gegangen sind oder auf den abgelegensten Wegen, nur um bloß keine anderen Hunde zu treffen. All die Umstände nur, weil ihr eigener Hund sonst total ausflippt. Wenn sich in der Ferne doch einmal ein Artgenosse blicken lässt, drehen sie augenblicklich um oder verstecken sich irgendwo im Gebüsch. Das mag für Außenstehende lustig oder gar verrückt klingen. Für die Betroffenen bedeutet es absoluten Stress. So stellt sich wirklich niemand das Leben mit einem Hund vor. Was ist nur aus den Träumen von entspannten Spaziergängen und der gemeinsamen Zeit in der freien Natur geworden?

Wenn Hunde im Beisein des Menschen aufeinandertreffen, verhalten sie sich oft völlig anders, als wenn sie unter sich wären. Der Grund: Während unter ihresgleichen die Rangfolge meist in Sekundenschnelle geklärt ist, sind die Positionen im gemischten Mensch-Hund-Team oft weniger eindeutig, weil der Hund dort mitunter in eine Rolle schlüpft, die nicht seiner Natur entspricht. Dadurch kann es zu einigen Problemen kommen. Aber auch wenn der Hund nicht offensiv aggressiv agiert, kann es ganz schön nerven, wenn er immer stehen bleiben und an jedem Hund schnuppern oder mit ihm spielen möchte.

Ich finde, dass es immer wir Menschen sein sollten, die entscheiden, ob wir anhalten, wenn wir einem anderen Hund begegnen, oder ob wir weitergehen. Und wenn wir uns für Letzteres entscheiden, brauchen wir kein schlechtes Gewissen zu haben. Der Hund muss nicht immer Kontakt zu anderen Hunden haben. Wenn Sie mit einem Kind einkaufen gehen, werden Sie vermutlich auch nicht bei jedem anderen Kind anhalten, damit sich die beiden unterhalten können. Und Sie selbst bleiben auch nicht ständig stehen, um anderen die Hand zu geben oder zu plaudern. Leider geht es bei Hunden manchmal um mehr als nur um übereifriges Interesse an anderen Hunden. Wenn der eigene Hund häufig aggressiv auf Artgenossen reagiert, hat man ein Problem. Aber auch das lässt sich lösen, indem man seinem Hund hilft, mehr Sicherheit und Souveränität zu entwickeln. So kann er zu seiner Natur zurückfinden und den Spaziergang an unserer Seite wieder genießen.

Mein Rat: Den Hund aus der Situation nehmen
Zum Glück lässt sich dieses Problem tatsächlich in vielen Situationen ohne Hilfe von außen entschärfen. Ich empfehle in so einem Fall Folgendes zu tun: Statt auf die anderen Menschen und ihre Hunde zu achten, sollte man sich voll und ganz auf seinen angeleinten Hund konzentrieren. Sobald man merkt, dass sich die Leine anspannt, bleibt man stehen und lässt den Hund sich hinsetzen. Anschließend sollte man ihn dazu bringen, sich auf den Boden zu legen – genau für solche Situationen ist es so wichtig, dass jeder Hund lernt, sich hinzulegen, wenn man es ihm sagt. Das klappt nur, wenn man selbst absolut ruhig und sicher bleibt. Wenn der Mensch nervös, hektisch, aufgeregt und selbst angespannt ist, ist der Hund viel zu unsicher und wird sich nie hinlegen. Schließlich ist das ein Zeichen des Vertrauens. Auch wenn der Hund sich hingelegt hat, sollte man die ganze Zeit über nur auf ihn achten und den anderen Hund und dessen Halter einfach ignorieren.

Dabei ist es wichtig, dass der Hund so lange an der lockeren Leine liegen bleibt, bis er sich völlig beruhigt hat und wieder ganz entspannt ist. Erst dann kann man ihm ein Zeichen geben und ruhig und entschlossen mit ihm weitergehen – egal ob der andere Hund noch in der Nähe ist oder nicht. Wenn man sich bei allen Hundebegegnungen, die den Hund stressen, konsequent so verhält, begreift der Hund bald, dass der Mensch auch beim Spaziergang Ruhe und Sicherheit geben kann. Dass er die Verantwortung übernimmt und alles im Griff hat. Und dass der Hund sich um nichts kümmern muss, sondern ihm einfach nur folgen kann, anstatt seine Position schützen zu müssen. Ich werde oft gefragt, ob es nicht am besten wäre, gar nicht auf unerwünschtes Verhalten zu reagieren, damit der Hund merkt, dass dieses nicht zielführend ist. Ich erkläre dann, dass man ein Verhalten auch bestärkt, wenn man nicht reagiert – das gilt für gutes Verhalten leider genauso wie für unerwünschtes.

Leine los?
Ich kenne keinen Hundehalter, der nicht davon träumt, seinen Hund einfach frei laufen zu lassen. Das scheint einfach unserer Vorstellung zu entsprechen, die wir von Natur und Freiheit haben. Voraussetzung dafür sollte sein, dass er sich an der Leine sicher und ruhig führen lässt und zuverlässig reagiert, wenn Sie ihn zu sich rufen. Nach wie vor sollten außerdem dieselben Regeln gelten wie an der Leine. Das heißt, Sie bestimmen, wo es langgeht. Das heißt nicht, dass er immer genau hinter Ihnen oder im Gleichschritt neben Ihnen hergehen muss. Worauf es ankommt, ist, dass er sich nicht selbstständig macht, sondern bei Ihnen bleibt. Wie groß der Radius ist, in dem er sich bewegen kann, bleibt Ihnen überlassen. Solange er die Grenzen respektiert, die Sie setzen, ist alles in Ordnung. Er läuft dann quasi an einer Leine im Kopf.

Wenn Sie das Gefühl haben, Ihrem Hund ohne Leine nicht genug Sicherheit und Ruhe vermitteln zu können, weil Sie selbst zu nervös sind, dass irgendetwas Unvorhergesehenes passieren könnte, lassen Sie ihn lieber an der Leine. Denn Ihr Vierbeiner würde Ihre Unsicherheit sofort bemerken und entsprechend unentspannt reagieren – auch wenn an der Leine sonst alles gut funktioniert. Aber Hunde leben nun mal im Hier und Jetzt. Für sie zählt, welche Signale sie im Moment erhalten. Von so einem Spaziergang hat dann keiner was, weder Sie noch Ihr Hund und schon gar nicht Ihre Beziehung zueinander.

Nach dem Spaziergang
Wieder zu Hause angekommen legen Sie die Leine zur Seite und führen den Hund auf seinen Platz, denn nun ist es Zeit für ein Nickerchen. Unsere Hunde brauchen Ruhephasen. Momente der Ruhe sind für die Bindung genauso wichtig wie Spazierengehen oder andere gemeinsam verbrachte Zeit. Hunde sind aktive Tiere. Deshalb fällt es ihnen oft sehr schwer, sich von selbst eine Auszeit zu nehmen und zurückzuziehen. Für Ihren Hund ist es wichtig, dass Sie Ihr Leben mit ihm teilen, aber er braucht, wie Sie auch, einen Platz, an den er sich zurückziehen kann.

Tipp

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