Die Bindung zum Hund stärken – von Anfang an

Von José Arce

Wenn ein Hund ins Haus kommt, will man natürlich alles richtig machen, damit Mensch und Hund zu einem tollen Team zusammenwachsen. Dabei hilft es sehr, wenn man sich schon vorher über ein paar Dinge im Klaren ist.

Natürlich sollte die Entscheidung für einen Hund gut überlegt sein – für ein erwachsenes Tier oder einen Welpen. Schließlich müssen Sie damit die Verantwortung für ein Lebewesen übernehmen – und das für viele Jahre. Dasselbe gilt, wenn Sie einen Beruf ausüben. Ist es für Sie in Ordnung, die Freizeit nicht ausschließlich auf dem Sofa oder beim Ausgehen zu verbringen? Natürlich müssen in diesem Fall auch noch ein paar andere Dinge geklärt werden: Besteht die Möglichkeit, den Hund in die Arbeit mitzunehmen? Wenn nicht, wer passt tagsüber auf ihn auf?

Sicher, ein Leben mit Hund ist anders als ein Leben ohne Hund. Aber genau das ist ja auch das Schöne daran. Hunde wollen mit ihrem Menschen zusammen sein und das Leben mit ihm teilen. Und ganz ehrlich: Wenn man sich einen Hund wünscht, will man das ja irgendwie auch selbst.

Sie leben in der Stadt? Das ist kein Hindernis! Ich kenne sehr viele Hunde, die dort glücklich und artgerecht leben und die selbst im größten Verkehrschaos die Ruhe weg haben. Was nicht nur am Alter liegt, sondern an ihrem Halter. Wenn der ruhig und gelassen ist, ist es der Vierbeiner nämlich genauso. Klar, wenn Sie in der Stadt leben, müssen Sie möglicherweise etwas länger spazieren gehen, einfach, weil es oft länger dauert, bis man ein Plätzchen findet, wo man den Hund auch mal sicher laufen lassen kann oder gemeinsam spielen und herumtoben kann. Aber damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Auch wenn Sie einen Garten haben, müssen Sie jeden Tag mit Ihrem Hund spazieren gehen. Es ist vielleicht ein bisschen entspannter, weil man nicht jedes Mal zum nächsten Grünstreifen sausen muss, wenn er sich »meldet«, sondern nur die Terrassentür zu öffnen braucht. Das Gassigehen jedoch ersetzt ein Garten niemals. Denn mit dem Alleinsein im Garten ist es nicht anders als mit dem Alleinsein zu Hause: Eine gewisse Zeit ist es okay, aber dann reicht es eben auch. Ihr Hund will schließlich etwas erleben und neue Sachen entdecken – und zwar gemeinsam mit Ihnen. Nur wenn er sich als Teil Ihrer Familie fühlt, ist er glücklich und ausgeglichen. Ihn nur eben mal in den Garten herauszulassen, ist niemals ein Ersatz für Nähe und Beschäftigung.

Eine gute Bindung ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Ihr Hund von Ihnen lernen kann. Wenn er intensiv spürt, dass er zu Ihnen gehört, kann er sich auf Neues einlassen und gemeinsam mit Ihnen die Welt erobern.

Hunde sind von Natur aus wahre Meister im Zusammenleben. Sie können sich beinahe allen Lebensverhältnissen anpassen und dennoch ausgeglichen, erfüllt und glücklich sein. Alles, was Sie dazu tun müssen, ist für Ihren Vierbeiner da zu sein. Und deshalb müssen Sie sich zuallererst einmal bewusst werden, wie Sie leben und sich dann überlegen, ob Sie (und nur Sie!) es gut finden, wenn und auf welche Weise sich ein Hund daran anpassen müsste und ob das in Ihren Augen gut für ihn wäre. Man darf sich selbst nicht schlecht fühlen, weil man morgens zum Beispiel erst mal 20 Minuten bis zum Park braucht, der Hund vormittags zu Hause bleiben soll oder tagsüber von jemand anderem betreut wird. Was zählt ist die Zeit, die Sie sich für ihn nehmen, um ihm beizubringen, was er in Ihren Augen können muss. Und die Zeit, die Sie gemeinsam verbringen. Als Team! Die Zeit, in der Ihr Hund merkt: Hier gehöre ich hin. Das ist mein Mensch! Das ist meine Familie! Sein Leben lang!

Es kommt also auf die innere Einstellung an. Wenn Sie sich dabei gut fühlen, wird es Ihr Hund auch tun. Wenn Sie glücklich sind, ist er auch glücklich, egal wo und wie Sie leben. Hunde haben sich uns Menschen über Jahrtausende perfekt angepasst. Wenn wir liebevoll und normal mit ihnen umgehen, ist es ganz einfach, sich zu verstehen. Anders als ein Menschenkind ist ein Hund nicht »klein« und kann noch nichts machen. Schon als Welpe ist er ein Meister der Körpersprache, auch wenn er vielleicht noch nicht jede unserer Mienen und Gesten so einordnen kann wie ein erwachsener Hund. Das ist schließlich Übungssache. Zu viel Information macht jedoch schnell verrückt – und zwar nicht nur die Hunde, sondern auch uns selbst. Ich plädiere daher lieber zu einer gewissen Portion Bauchgefühl als zu einer Erziehung streng nach Plan.

Ihr Hund will sich ja von Natur aus an Sie binden und mit beziehungsweise von Ihnen lernen. Sie müssen das nur unterstützen. Wenn ein Hund weiß, wo er hingehört, ist das schon die halbe Miete. Denn dann folgt er Ihnen bis zu einem gewissen Grad quasi automatisch. Zeigen Sie dem Hund daher vom ersten Tag an, dass er sich bei Ihnen sicher fühlen kann und nicht nur Spaß, sondern vor allem auch Ruhe findet. Was für viele dabei das Schönste ist: Dazu gehört auch eine gehörige Portion Körperkontakt. Beim Streicheln und Miteinander-Kuscheln schüttet der Körper bei Hund und Mensch nämlich immer wieder das Bindungshormon Oxytocin aus und verstärkt so das Zusammengehörigkeitsgefühl auf ganz natürliche Art.

Strukturieren Sie den Alltag: Feste Strukturen sind für einen Hund wichtig. Sie stärken zudem die Bindung, weil er dadurch merkt, dass er sich ganz und gar auf Sie verlassen kann. Indem Sie immer wieder alles so machen, wie er es kennt (und erkennt), zeigen Sie ihm, dass sie die Verantwortung für ihn übernehmen und er sich keinen Kopf machen muss. Alles, was er zu tun braucht, ist das zu machen, was er immer tut. Und das ist genau das, was Sie von ihm erwarten. Entgegen einer landläufigen Meinung engen Strukturen und Regeln den Hund nicht ein und auf gar keinen Fall sind sie eine Strafe. Im Gegenteil, Sie helfen ihm sehr, sich einzugewöhnen und an unser Leben anzupassen. Auch wenn es seiner Natur entspricht, es uns möglichst recht zu machen, muss jeder Hund einige Dinge lernen, damit er in der Menschenwelt gut zurechtkommt und sich wohlfühlt. Genauso muss er Dinge lernen, damit wir selbst uns wohlfühlen. Wenn er sich immer wieder »danebenbenimmt« kommen wir nämlich recht schnell ins Schwitzen.

Damit Ihrem Hund Autofahren, ein paar Stunden allein bleiben, mit ins Café gehen und ähnliche Herausforderungen, die er vielleicht noch nicht kannte, in Fleisch und Blut übergehen und damit sie genauso normal werden wie Spielen, Fressen oder Schlafen, müssen Sie sie geduldig immer wieder mit ihm wiederholen. So werden sie mit jedem Mal ein bisschen selbstverständlicher, bis irgendwann selbst anfängliche Stolperschwellen überhaupt nichts Besonderes mehr sind. Und keiner Aufregung wert. Diesen Prozess nennt man Konditionierung.

Ein Hund ist ein Lebewesen. Er hat eine eigene Persönlichkeit und bringt so immer schon etwas in die Beziehung mit. So gibt es auch unter Hunden unterschiedliche Persönlichkeiten. Berücksichtigen Sie die Tatsache, dass jeder Hund spezielle Bedürfnisse hat. Wenn Sie erkennen, was Ihr Hund mitbringt, was er braucht und wie Sie diese Bedürfnisse erfüllen können, machen Sie von Anfang an alles richtig. Dann wachsen Sie ganz automatisch zu dem zusammen, was ich als ein harmonisches Mensch-Hund-Team bezeichne –nämlich eine Partnerschaft, die beiden Seiten guttut und von der alle etwas haben. Für Ihren Hund gibt es nichts größeres, als mit Ihnen die Welt zu entdecken. Der Spaziergang ist eine gute Gelegenheit dazu, ihm zu zeigen, worauf es im Alltag ankommt.

Wenn der Hund aber Tage, Wochen oder vielleicht sogar Monate erst einmal mehr oder weniger tun und lassen darf, was er will, weil Sie meinen, er wäre noch zu jung oder er braucht viel Zeit, da er aus schlechten Verhältnissen kommt, um irgendetwas zu lernen, haben Sie schnell ziemlich schlechte Karten. Hunde sind schließlich genau wie wir selbst Gewohnheitstiere. Wenn wir ihnen vermitteln, dass es völlig in Ordnung ist, wenn sie »herumspinnen«, werden sie es auch tun. Warum sollten sie es ändern? Und selbst wenn Sie sich am Anfang nicht vorstellen können, dass Ihr Hund Ihnen aufgrund seines Benehmens irgendwann einmal gehörig auf die Nerven gehen wird: Er wird es tun, glauben Sie mir! Vielleicht finden Sie es eine Zeit lang niedlich, wenn er jeden Menschen wie wild begrüßt. Vielleicht macht es Ihnen auch nichts aus, wenn dabei der Teppich anfangs ein paar Tröpfchen abbekommt und es stört Sie nicht, wenn der Hund sich neben Sie setzt und an Ihrem Bein kratzt, sobald Sie sich an den Tisch setzen und essen wollen. Aber spätestens, wenn der Hund einen bei jeder Begrüßung im wahrsten Sinn des Wortes in die Knie zwingt, Dutzende von Seidenstrumpfhosen zerrissen hat oder aus den paar Tröpfchen eine respektable Pipilache geworden ist, wenn Sie selbst keinen Bissen mehr runterkriegen, weil Ihr Hund so exzessiv bettelt, dass Sie nur noch damit beschäftigt sind, ihn zu maßregeln oder wenn er entdeckt, dass Ihre Lieblingsschuhe oder die Fernbedienung gute »Kampfgegner« sind, ist Schluss mit lustig!

Ich möchte Ihnen klarmachen, wie leicht alles ist, wenn Sie von Anfang an den richtigen Weg einschlagen. Weil dann überhaupt keine Missverständnisse auftreten. Man muss unerwünschtem Verhalten immer entgegenwirken – egal wie alt ein Hund ist!

Damit unsere Hunde sich bei uns wohl fühlen, brauchen sie …

• Eine Familie oder einen Menschen, zu der/dem sie gehören.
• Ein einsamer Hund ist ein verlorener Hund.
• Sichere Menschen, denen sie bedingungslos folgen können, weil sie wissen, dass sie die Verantwortung für sie tragen.
• Aufgaben, die sie nicht nur körperlich auspowern, sondern vor allem ihren Kopf fordern.
• Genug Zeit zum Ausruhen.
• Menschen, die sie als Hund respektieren und so mit ihnen kommunizieren, dass sie es auch verstehen.

Gemeinsam leben und gemeinsam lernen

So können wir im Alltag unseren Vierbeinern ganz nebenbei vermitteln, was wir von ihnen erwarten und wie sie sich verhalten sollen. Zudem kommt diese Art des Lernens der Natur des Hundes am nächsten. Wir selbst sind der Schüssel zu einer guten Partnerschaft, mit unserem eigenen Verhalten legen wir den Grundstein einer erfolgreichen Erziehung. Ein Hund muss nicht »verwöhnt« werden, damit er sich Zuhause wohlfühlt. Er fühlt sich von Natur aus gut, wenn er in der Nähe seines Menschen sein darf. Er braucht kein Mitleid, weil man ihn aus seiner alten Umgebung »herausgerissen« hat. Natürlich muss er sich umgewöhnen. Aber er ist bereit für das neue Leben. Er ist bereit für das Leben mit Ihnen und er freut sich darauf. Weil Sie bei ihm sein werden! Darauf sollten Sie aufbauen, indem Sie das Zusammengehörigkeitsgefühl immer weiter fördern. Denn eine gute Bindung ist die Basis für alles Weitere.

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Der Mensch-Hund-Therapeut hilft bei besonderen Problemen auch in individuellen Zwei-Tages-Besuchen weltweit und gibt traumatisierten Hundebesitzern wieder Kraft, Mut und Zuversicht. Dadurch können diese die Probleme der Vergangenheit vergessen, mit individuellen Lösungsansätzen wieder Vertrauen in sich selbst finden und die Probleme angehen. Der Autor bietet außerdem für alle interessierten Mensch-Hund-Teams regelmäßig Seminare in Deutschland, Österreich und in der Schweiz an. Mehr Informationen und aktuelle Termine:
www.jose-arce.com

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